Anita Fetz Medien Echo.  
1998 Der kleine Unterschied
Martin Furrer, in der Weltwoche Nr. 36 vom 9.9.1998

Der kleine Unterschied
Zwei ungleiche Feministinnen: Warum Anita Fetz in Basel den Nationalratssitz von SP-Dissidentin Margrith von Felten erben wird
Frauen kämpfen auf die süsse Tour für Gleichberechtigung. «Bio-Praliné-Schokolade» führen die Initiantinnen der «Quoten-Initiative» seit kurzem als Lockangebot im Sortiment - politisch korrekt «aus gerechtem Handel und gentechfrei».
Mit dem Verkaufserlös wird das Volksbegehren «für eine gerechte Vertretung der Frauen in den Bundesbehörden» finanziell alimentiert.
Einer überzeugten Feministin ist der Appetit aufs Politisieren zumindest innerhalb der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SPS) allerdings gründlich vergangen: Die Basler Nationalrätin Margrith von Felten gab vergangene Woche den Austritt aus der Partei bekannt. Sie habe «feministische Politik gemacht», liess sie verlauten, doch der «emanzipatorische Anspruch sozialdemokratischer Politik» sei in den vergangenen Jahren mehr und mehr «der Teilhabe an der Machtpolitik geopfert» worden. Von Felten wird im Bundeshaus fortan bei den Grünen mittun.
Die Feministinnen in der SPS haben damit eine ihrer Ideologinnen verloren. Ausgerechnet jetzt, da SPS-Chefin Ursula Koch ihrer Partei eine Debatte um «Grundwerte» befiehlt, zu der auch das Thema Gleichberechtigung gehört, läuft ihr eine der besten Gesprächspartnerinnen davon.
Dabei widmete sich Juristin von Felten während ihrer siebenjährigen Tätigkeit als SPS-Volksvertreterin nichts lieber als der Frauenfrage. Kein Thema war der Frau, die im Basler Sanitätsdepartement unter der Leitung von SP-Regierungsrätin Veronika Schaller arbeitet, zu unbedeutend, um nicht doch noch auf den Aspekt der «Frauenverträglichkeit» abgeklopft zu werden.
Mit der Männergesellschaft ging sie stets hart ins Gericht. Nicht die «Politik der Partizipation», nur jene der «Abgrenzung und Selbstbestimmung» führe die Frauen zum Erfolg, erklärte sie vor den Delegierten des Schweizerischen Verbands für Frauenrechte. Gegen den EWR-Vertrag lief von Felten 1992 ebenfalls Sturm: Er sei bloss ein «patriarchales Männerprojekt». Das Mannsbild - von Feltens Feindbild Nummer eins.
Wen wundert's, dass sie in einem Forumsbeitrag in der «Basler Zeitung» auch das mühselig erkämpfte Gleichstellungsgesetz geisselte: «Gleichstellung, wie sie heute (...) verstanden wird, bedeutet 'den Männern gleichgestellt' - egal, wo und mit welchen Konsequenzen. Das kann doch kein Ziel sein. Denn wir wissen, wohin die weltweit von Männern bestimmten Ziele die Menschheit geführt haben. Gleichstellung ist nicht das Ziel meiner Politik.»
Die «durchgehend patriarchale Herrschaftsoptik» des neuen SP-Wirtschaftskonzeptes erschien ihr «aus Frauensicht unerträglich». Das feministische Manifest der Margrith von Felten lautet: «Wer eine menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden.»
Nun hat sie erst einmal sich selbst überwunden und in einem Akt der Selbstbefreiung Ursula Koch und die SPS-Genossinnen rechts liegengelassen. 1999 wird sie auf der Liste der feministisch-links-grünen Vereinigung «Basels starke Alternative» um ihre Wiederwahl werben.
Von Feltens Abgang mit Mediengetöse hinterlässt nicht nur verärgerte SPS-Mitglieder («Ich fühle mich von Margrith von Felten verschaukelt», so der Basler SP-Präsident Jakob Winistörfer), sondern auch Fragen. Ist in der SP noch Platz für radikale Feministinnen? Welchen frauenpolitischen Kurs will die SPS künftig einschlagen? Wer wird sich durchsetzen: Provokateurinnen oder Pragmatikerinnen?
Die Parteipaschas können zwar nicht aufatmen. Doch sie dürfen sich zumindest auf moderatere Töne gefasst machen. Die Radikalfeministin von Felten wird nämlich im Herbst 1999 mit grosser Sicherheit durch die feministische Realpolitikerin Anita Fetz abgelöst werden. Die 41jährige Basler Historikerin und ehemalige Poch-Nationalrätin ist zwar erst seit 1995 Mitglied der SPS; wird sie im Februar nächsten Jahres jedoch von ihrer Partei nominiert, ist ihr erneuter Einzug ins Bundeshaus so gut wie sicher.
Von Felten und Fetz sind ungleiche Schwestern. Wenn die smarte Geschäftsfrau Fetz, Mitinhaberin der Basler Unternehmensberatungsfirma Femmedia und Mitglied des Bankrates der Basler Kantonalbank, dereinst von Feltens SP-Sitz erbt, ist dies ein symbolträchtiger Wechsel. Denn die Überwindung der real existierenden Männergesellschaft ist Fetz' Sache nicht. Und SP-Präsidentin Ursula Koch wird mit ihr kaum viel Zeit zum Führen von Grundsatzdebatten reservieren müssen. Nur schon der Begriff «Grundwertediskussion», so Fetz, sei ihr «zu abgehoben».
Die einstige Anti-Atomkraftwerk-Aktivistin ist eine Macherin. Das hat ihr in der SP Basel-Stadt bereits den Vorwurf eingetragen, sie habe sich von einer aufmüpfigen Feministin zur berechnenden Machtpolitikerin gewandelt. «Ich bin immer noch Feministin», beteuert heute die ehemalige Mitstreiterin der verstummten Organisation für die Sache der Frau (Ofra). Unter Feminismus versteht sie allerdings nicht dasselbe wie von Felten. Für die SP-Dissidentin ist der Begriff «Gleichberechtigung» ein Schimpfwort - für Fetz stellt der Feminismus ein Instrument dar zur Realisierung des gleichberechtigten Miteinanders von Frauen und Männern. «Feminismus», sagt Fetz, «heisst für mich Engagement zugunsten der Gleichberechtigung und für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen». Von Appellen an die «Frauensolidarität» will sie allerdings nichts wissen: «Das Wort verursacht bei mir ein Gefühl des Unbehagens. Ich assoziiere damit Behinderung, Nivellierung und Widerspruch. Ich kann und will nicht mit allen Frauen solidarisch sein.» Mit vielen Männern spüre sie zum Beispiel «mehr Gemeinsamkeiten» als mit bürgerlichen Frauen. Von Feltens Lieblingsschimpfwort «Männerprojekt» mag sie ebenfalls nicht gerne in den Mund nehmen. Sie redet lieber von «old-boys networks», männerdominierten Klüngeln, auf die man «ein scharfes Auge» haben müsse, damit sich die Frauen nicht in ihnen verheddern.
Von Feltens Forderung, die Welt sei «frauenverträglich» zu gestalten, kann Fetz zwar auch unterschreiben - «es reicht mir nicht, nur Forderungen aufzustellen». Zu ihrem politischen Selbstverständnis gehöre auch, «feministische Postulate salonfähig zu machen». Den Frauen zu sagen, was sie zu tun hätten, ist nicht ihre Art - auch wenn sie «zehn Gebote für Frauen» formuliert hat, die unter anderen lauten: «Mische Dich ein und sage Deine Meinung, auch wenn Du nicht gefragt wirst!»
Für Fetz ist klar: «Die SPS muss sich im Wahlkampf unter anderem auf die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen konzentrieren.» Das sei das «Thema Nummer eins» für Frauen und Männer. Kürzlich hat Fetz ein Impulsprogramm für Jungunternehmerinnen entworfen, um ganz konkret auch neue Arbeitsplätze zu schaffen, nicht nur davon zu reden: «Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessern, das ist für mich auch Feminismus. Schliesslich sind wir vor zwanzig Jahren angetreten, das Recht der Frauen auf Arbeit, Lohngleichheit und Vereinbarkeit von Beruf und Familie durchzusetzen.»
Mit dieser Haltung wird es Anita Fetz in einer mehr und mehr wirtschaftsfreundlich positionierten SPS bestimmt zu etwas bringen -adieu, Margrith von Felten, adieu, Ursula Koch.